Rafting und Canyoning für Anfänger Steiermark, Gesäuse
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Johnsbach, 6. August
Rafting  
Nun ist also endlich der große Tag. Auf geht's zum River-Rafting, zum Fluss-ohne-Wie­der­kehr-Gefühl, zum prickelnden Abenteuer im nassen Element, zur "Wagnis" für Kind und Rentner und zum eigentlichen Ziel meines Aufenthalts. Wir ziehen uns, wie schon am Tag zuvor, Neopren-Anzug und -Schuhe an, dazu noch Spritzjacke, Schwimmweste und Helm. Jedem wird auch ein Paddel zugeteilt. Nachdem alle, Dicke und Dünne, Erwachsene und Kinder eingekleidet sind und zwei große Schlauchboote auf den Anhänger geladen worden sind, fahren wir mit dem VW-BusWildwasser-Rafting hinunter zur Enns. An der Bachbrücke beim Jagdhäusl wird abgeladen und die Boote (jedes wiegt an die 100 Kg) ins flache Wasser gelegt. Jetzt gibt uns Sepp, unser heutiger Raftingführer, die nötigsten Instruktionen: es sind nicht viele, denn viel können solche Anfänger wie wir gar nicht tun.
Es heißt vorwärts paddeln, rückwärts paddeln oder Pau­se, und zwar immer alle ge­mein­sam, denn gesteuert wird ausschließlich mit dem Ruder am Heck. Das macht Sepp, staatlich geprüfter "Rafting­führer", der genau so aussieht, wie man sich einen rauen Wildwasserfahrer vorstellt, hager, bärtig, dunkle Haare und nicht ohne bärbeißigen Humor. Er kennt den Fluss­ab­schnitt wie seine Westentasche.
 
Unser Paddeln soll ausschließlich dazu dienen, dem Boot Fahrt zu schaffen, damit das Ruder steuern kann. Einige der Kinder von gestern sind auch mit an Bord, und das gibt ausreichend Aufschluss über die Ungefährlichkeit des Unternehmens. Die Füße werden fest unter eine Schleife am Bootsboden gesteckt, als Gewähr dafür, dass man nicht ins Wasser fällt.  
Dann kann es losgehen. Bald Wildwasserfahrentauchen die ersten Stromschnellen auf und mit ihnen kom­men auch die ersten gro­ßen Spritzer über Bord. Kurzer, allgemeiner Jubel an Bord. Aber gleich wird's wieder ruhig. An manchen Stellen klärt uns Sepp über die gefährlichen Wasser­stru­del auf, die auch den kräftigsten Schwimmer unter Wasser ziehen kön­nen. Bei etwas Glück wird man dann an einer an­de­ren Stelle wieder heraus­ge­spuckt, meint er. Sollten wir über Bord gehen (das könne nur passieren, wenn die Füße nicht richtig in den Schleifen steckten) müssen wir unbedingt auf dem Rücken mit den Füßen voraus schwimmen (die Schwimmweste erleichtert es), um besser steuern und den Aufprall auf Hindernisse abfedern zu können. Auf diese Weise kann man sich dann treiben lassen, bis man an geeigneter Stelle durch normales Schwimmen schnellstens aus der Strömung raus und wieder ans Boot oder ans Ufer gelangen kann.  
Aber die Stromschnellen sind immer gleich vorbei, dann wird die Enns für eine längere Strecke wieder ruhig, und wenn man die Zeit nicht mit dem Beobachten der imposanten Flusslandschaft ausfüllen will oder kann, kommt leicht eine gewisse Langeweile auf. Also wird im Boot geschaukelt, mit Wasser gespritzt, geblödelt. Sepp selbst, auch er zwangs­läufig zum "Animateur" geworden, schlägt manch aufheiterndes Spiel vor. Klar, dass man dabei öfter im Wasser landet. Jemanden wieder ins Boot zu ziehen muss schließlich auch geübt werden, man packt ihn dabei am Besten an der Schwimmweste.
An manchen Stellen verordnet Sepp allerdings striktes Badeverbot, denn der Fluss zeigt hier wieder seine gefährlichere Seite.
 
An einer geeigneten Stelle paddeln wir einmal ans Ufer und üben uns im Wildwasser­schwim­men. Das Wasser ist eisig und die Übung gar nicht so leicht wie man denken könnte. Und für den Fall, dass jemand zu lange mit den Füßen nach vorne schwimmt und dabei den In der SchluchtAugenblick, wieder ans Ufer zu kommen, verpasst, wartet Sepp an der An­kunfts­stelle mit dem Wurfsack (mit dem Seil) auf ihn, um ihn schlimmstenfalls wieder he­rauszufischen.
In Gstatterboden, an unserem Ziel (denn ab hier fließt die Enns ruhig in einem Stau­becken weiter) angekommen, wartet bereits Dieter mit dem Kleinbus, um uns nach einer kurzen Jause zum zweiten Teil des Erleb­nis­ses zu befördern.
Was ein "Lunchpaket" sei, fragt ein Kind und bekommt von Didi prompt die Antwort: "Ein Lunchpaket, das sind zwei Wurstsemmeln". Bald geht es weiter. Die Boote werden ver­laden und wir fahren die zurückgelegte Strecke retour und darüber hinaus bis zum Gesäuse-Eingang.
Gesetzt den Fall, ich wüsste noch nicht, wo­von diese Gegend ihren Namen bekommen hat, spätestens an dieser Stelle würde ich es erfahren. Hier ist die Enns nämlich wirklich "wild". Mit seiner ungebremsten Wucht ver­ursacht der Fluss dort, wo das ruhige Ge­wässer sich urplötzlich in reißende Gischt verwandelt, ein ohrenbetäubendes "Gesäuse". Gewaltig ist der Eindruck, der dieses Sausen und Tosen und die Wellen und die Gischt auf uns alle macht. Jetzt taucht sicher bei dem einen oder anderen Teilnehmer dieser Fahrt ein leicht mulmiges Gefühl auf, jetzt wo er das bekommt, was er eigentlich gesucht hat. Die Kinder unter Zwölf Jahren dürfen an dieser Stelle nicht mitfahren, wir werden sie weiter unten wieder an Bord nehmen.
 
Nun geht es erst richtig los, aber diesmal bleibt keiner trocken und wir paddeln alle, als ob es um unserIm Bruckgraben Leben ginge. Juchhe! Jetzt endlich macht es, die Füße fest unter die Schlaufen geklemmt, wirklich Spaß. Bereits nach zweihundert Metern beruhigt sich die Enns aber wieder und die Fahrt - es ist der Streckenabschnitt, den wir schon vom Vormittag kennen - wird ein zweites Mal gemütlich. Womit sie auch langsam ihrem Ende entgegen steuert. Ein kleiner Höhe­punkt erwartet uns noch auf halber Stre­cke. Der Besuch des Bruckgrabens. Diese Schlucht ist teilweise nur 1-2 Meter breit und stellenweise bis 100 Meter hoch. Wir schnuppern allerdings nur ein wenig im Ein­gangsbereich herum. Eine Begehung würde sehr gute Kondition und Kletter­kenn­tnisse erfordern und wäre bei dem eher ge­witt­ri­gen Wetter der letzten Tage ohnehin nicht ratsam, denn im Falle eines Regen­gusses kann der Wasserpegel in­ner­halb von Mi­nu­ten um Meter steigen. Es ist fünf Uhr, als wir wieder in Johnsbach ankommen.  
Abends sollen die beiden jungen Frauen ankommen, die morgen als Fotomodelle mit Kos­ten­ermäßigung an der Canyoning-Tour teilnehmen werden. Didi und ich sind sehr ge­spannt, ob sie fotogen und sympathisch sind. Und - welche Überraschung - Claudia und Nicole sind es! Es verspricht ein anregender Tag zu werden.  
Animation  
Didi hat seinen heutigen Tag als Animateur noch lange nicht abgeschlossen. Er versucht jetzt noch, eine Gruppe mit Kindern zu einer abendlichen Höhlenbesichtigung zu über­re­den. Und natürlich sind letztere, für die das Unternehmen freilich als Schatzsuche dekla­riert wird, sofort begeistert. Dafür hat Didi auch die nötigen Kleinigkeiten besorgt, die er dann vor Ort unauffällig verstecken will.  
Als wir bei der Höhle - genauer gesagt handelt es sich um einen Stollen - eintreffen, dun­kelt es bereits. Stollen haben gegenüber Naturhöhlen, die weit verzweigt und labyrinth­ar­tig beschaffen sein können, den Vorteil, dass man immer den Ausgang findet. Nach einem kurzen Klettertrakt auf rutschigem Boden, Didi Rosenbergersind wir beim Eingang.
Im Stollen ist es dunkel und feucht, und die Decke ist stellenweise so niedrig, dass man sich nur auf allen Vieren fortbewegen kann. Kein Wunder, dass sich bei mir bald eine leichte Beklommenheit ein­stellt. Hätten wir nicht Taschenlampen und Fackeln bei uns, könnte sich dieses Unbehagen sehr leicht in eine ausgewachsene Platzangst verwandeln.
Man stelle sich vor, erklärt Didi, dass die Bergleute hier Tag für Tag und über Jahre hinweg schwerste Arbeit leisten mussten. Was für ein unerträgliches Leben muss das gewesen sein - kaum vorstellbar für einen Menschen aus der heutigen Zeit.
Wir sind noch nicht sehr weit gekommen, da fängt die kleine Sandra zu weinen an. Alles gute Zureden hilft nicht. Sie hat Angst und möchte umkehren - ich kann's ihr nicht verdenken. Ihre Mutter Helga und ich nehmen sie also in unsere Mitte und kriechen gemeinsam auf den Knien wieder in Richtung Aus­gang - Tom Sawyer lässt grüßen.
Wer hätte das gedacht, dass ich mich heute noch mit einer Art Großfamilie in einer Höhle herum tummeln würde?
 
Bewundernswert, wie professionell sich Didi um seine "Schutzbefohlenen" kümmert, bei den sportlichen Veranstaltungen wie bei der Geselligkeit im Wirtshaus. Als Unterhalter ist er wirklich in seinem Element. Er fühlt sich seinen Kunden (die am Tag mit ihm auf "Aben­teuer" waren) verpflichtet, trinkt mal mit dem einen, mal mit dem an­de­ren, um dann auch noch mit Rudi, dem Wirt, für Musik zu sorgen. Didi als improvisierter Schlagzeuger mit zwei rhythmisch aufeinander geschlagenen Löffeln und Rudi an der Zieh­har­monika. In so einer Runde wird natürlich viel getrunken, geschunkelt und geklatscht, und das Niveau der Lieder sinkt zwangsläufig Schritt für Schritt, um schließlich in Grölen und Dauerlachen über­zu­gehen. Daran Teil zu nehmen und "lustig" zu sein, während Un­men­gen von Ziga­ret­tenqualm meinen Hals austrocknen und meine Augen zum tränen bringen, ist allerdings nicht ganz meine Sache.  
Martina (Aushilfskellnerin und Schwester der jungen Wirtin) trifft den Nagel auf den Kopf. Im Gasthof Ödsteinblick, wo sich die meisten Gäste zum "Abenteuer" zusammenfinden, gehört das Laute und das Feuchte eben dazu, es lässt sich nicht vermeiden, es ist durch diese Art Publikum bedingt. Ältere oder Ruhe suchende Gäste, sinniert sie, kommen kein zweites Mal.  
Mir gefällt aber dieses Hin und Her der Charaktere, die sich alle paar Tage im Gasthof abwechseln, obwohl ich es auch meistens vorziehe, stiller Beobachter zu bleiben.