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Slowenien - ein Reisebericht |
Also steuere ich von Nova Gorica aus meinen Wagen in Richtung Norden. |
Das Soča-Tal ist eines der schönsten
und naturbelassensten Alpentäler, die ich je erlebt
habe. Es ist von atemberaubender Ursprünglichkeit.
Und wenn ich die Aussage trotz des miesen
Wetters mache, so hat das etwas zu bedeuten.
Dieser Fluss ist einer der letzten ungebändigten
Alpenflüsse Europas. Er ist ein wilder, smaragdgrüner
Strom, der
in der beeindruckenden Naturlandschaft des Triglav-Nationalparks entspringt. |
Dem Isonzo-Tal entlang
nach Norden |
Mit dem Namen Isonzo im
Kopf und weil der direkteste Weg nach Kärnten an
diesem Fluss – der hier in Slowenien Soča (ausgesprochen Sotscha) heißt – entlang
führt, beschließe ich, längs diesem
so geschichtsträchtigen Fluss zurückzufahren.
Dass ich wegen des trüben Wetters nicht viel davon
haben werde, ist mir bewusst, es spielt aber keine
Rolle, denn alle anderen Strecken wären genau so
trostlos. |
Die Berge, in die das Soča-Tal
eingebettet liegt, sind die Julischen Alpen,
die zu den wildesten Gegenden der Alpen gehören.
Als ich einmal das intensive Grün dieses Flusses
beobachte, kommen mir ungewollt die erschütternden
Worte des Historikers Von Lichem in den Sinn, der in seinem Buch schildert, wie
sich der smaragdgrüne
Fluss an manchen Kriegstagen vom Blut der Toten rot färbte. |
Ein halbherziger Versuch, eine Übernachtungsstätte
zu finden, scheitert gerade an der Tatsache, dass diese
Gegend so naturbelassen ist. Sie ist einsam und verlassen,
kaum Ortschaften sind entlang der Hauptstraße
zu finden, eher Campings und Ferienlager. Ich habe zwar
ein Zelt bei mir, aber bei diesem Wetter – nein, das
muss nicht sein. |
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Aber bevor ich den nächsten größeren
Ort erreiche, sind noch 44 Kehren und der 1611 Meter
hohe Vric-Pass zu bewältigen. |
Ich
kann, ohne auch nur ein Quäntchen zu übertreiben,
behaupten, dass diese Gegend zu den schönsten
des gesamten Alpengebiets gehört. Während
ich die zahlreichen Kehren hinauffahre, wechseln sich
die Aussichten unaufhörlich ab. Das Soča-Tal
scheint von Kurve zu Kurve breiter zu werden und Dimensionen
eines nordamerikanischen Canyons anzunehmen.
Es überrascht mich mit einer unglaublichen
Farbenpracht. Sie reicht von der seltsamen rotbraunen
Erde zum frischen Grün des Frühlingslaubs,
vom dunkleren Grün der Fichten zu den vielen
Nuancen der graublauen Farbe der ab und zu zwischen
den Wolken auftauchenden Felsen. Es tröpfelt nur
noch, die Wolken sind hoch, manchmal öffnet sich
ihr Grau wie ein Riss in einem Vorhang und ich bekomme
eine fantastische wilde Bergwelt zu sehen, die mehr
an die Rocky Mountains denken lässt als an unser
„enges“ Mitteleuropa. |
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Auf der Passhöhe angekommen, hüllen mich die
Wolken rasch wieder ein. Sie preschen, ungestüm
und bedrohlich wie die Reiter der Apokalypse, in Wellen
auf mich zu. Ein unwiderstehlicher Drang, aus dem Auto
auszusteigen, packt mich und zieht mich ins Freie, wo
ich dem böig auftretenden, heftigen, kalten Wind
entgegen trete. Es fasziniert mich und schreckt
mich ab in Einem. Beim Versuch, zu einer Hütte
zu gelangen, die auf etwa 1700 Meter Höhe und nur
wenige hundert Meter vom Pass entfernt liegen soll,
sehe ich bei jedem Schritt, wie mir die Wolken
entgegen eilen. Es ist kein dichter, gleichmäßiger
Nebel, nein, es sind dünne, lang gezogene Nebelschwaden,
die sich nach vorne bewegen wie Hunderte Gespensterhände,
die alles, was sie greifen, im Nichts verschwinden
lassen. Es sieht fast so aus, als ob die Welt selbst,
verschluckt von diesen grauen Geistern, verschwinden
würde. Ein leichtes Gruseln bemächtigt sich
meiner Person. Es ist fast sieben Uhr Abend, das Licht
hat bereits merklich abgenommen, also steige ich schleunigst
wieder ins Auto. |
Die letzten 20 Kehren auf dem Weg ins Tal sind nicht
minder abwechslungsreich, jetzt wagt sich sogar ein
Sonnenstrahl ab und zu heraus und beleuchtet jedes Mal
einen anderen Ausschnitt einer nicht minder atemberaubenden
Bergwelt. Kurz vor Kranjska Gora komme ich noch an einem
tiefgrünen See vorbei, der meine Absicht verstärkt,
diese Gegend in den nächsten Tagen oder in näherer
Zukunft besser kennenzulernen. |
Wenig später sitze ich da, kaue an einer gummiweichen
Semmel, trinke einen Kaffee, der nach allem nur nicht
nach Kaffee schmeckt, und bin unentschlossener denn
je. Die Wetterprognose ist düster, sowohl der Pensionsinhaber
als auch alle deutschsprachigen Zeitungen, die ich ergattern
kann, sehen Regen, Regen, und immer wieder Regen vor
– allerdings mit „einzelnen Aufheiterungen". |
Donnerstag, 7. Mai |
In Kranjska Gora |
Es
schüttet! Zeit für ein wenig Sprachkunde. Was
wird wohl eine „marelcna marmelada“ sein? Für einen Österreicher liegt di Antwort
auf der Hand: Marillenmarmelade! Dass ich Tschechisch lerne, erweist
sich auch immer mehr als Vorteil. Die Ähnlichkeit
ist frappant. „Maslo“ ist natürlich Butter, „unka“ Schinken. Und als ich an der Mautstelle „tri sta sedum deset“ (370) hörte, war ich zwar
einen Augenblick verblüfft, aber („ale“ auf Tschechisch und Slowenisch) doch angenehm überrascht. td>
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Draußen schüttet es immer noch. Ich überlege
zum wiederholten Male, den Urlaub abzubrechen, denn
es scheint derzeit auf der Reise ziemlich alles schief
zu gehen, was schief gehen kann. Dies ist jedenfalls das
bei diesem strömenden Regen in mir vorherrschende
Gefühl. Dagegen bin ich machtlos. Ich kann mich zwar
überreden, nicht so sehr vom Fotografieren abhängig
zu sein, ich kann tausend Kompromisse machen, aber auf
einer Besichtigungsreise ist Dauerregen nun mal tödlich. |
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