Brauchtum

Der Glöcklerlauf in Ebensee



In der letzten Rauhnacht (vom 5. Jänner auf den 6. Jänner), der sogenannten Perchten­nacht, ziehen bei Einbruch der Dunkelheit in Ebensee am Traunsee Gruppen (Pas­sen) von weiß angezogenen Gestalten durch die Nacht. Sie tragen gro­ße beleuchtete Kap­pen auf dem Kopf und schwere Kuhschellen an einem Gurt: Es sind die Glöckler.
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Ebensee mit Traunsteinmassiv im Hintergrund
Wegen seiner Originalität und vor allem wegen der über all die Jahrzehnte bei­be­hal­tenen Pflege dieses Brauches wurde 2010 der traditionelle Eben­seer Glöcklerlauf von der UNESCO zum österreichischen im­ma­teriellen Kulturerbe er­nannt. Das UNESCO-Über­ein­kom­men zur Er­hal­tung des Immateriellen Kul­tur­er­bes verfolgt unter anderem das Ziel der Schaf­fung von Bewusstsein für und die An­er­ken­nung der Bedeutung imma­teriellen Kulturerbes auf lokaler, natio­na­ler und internationaler Ebene.

Obwohl der Brauch auch in den Regionen des Inneren Salzkammerguts (Bad Ischl, Bad Goisern, Hallstatt) und im Norden des Traunsees (Traun­kir­chen, Altmünster, Gmunden) zu finden ist, wie auch in vielen Gemeinden am Atter­see, am Wolfgangsee und im salzburgischen Flachgau und sogar im stei­ri­schen Ennstal (Gröbming/ Ge­säu­se, Trieben) übernommen wurde, nimmt man an, dass sich der Glöcklerlauf in seiner jetzigen Form aus mehreren Brauch­tums­elementen an der Südspitze des Traunsees entwickelt hat und von dort im Laufe des 20. Jahrhunderts verbreitet wurde. Das erstärkte Interesse am Glöcklerlaufen in großen Teilen des Salzkammerguts ist ohne Zweifel auch darauf zurückzuführen, dass man das touristische Potenzial dieser Tradition erkannt hat.

Der üblichen Erklärung nach, die auf "uralte Zeiten" Bezug nimmt, soll der Ur­sprung des Brauches auf das Vertreiben der Wintergeister zurückzuführen sein. Das rhythmische Laufen der Glöckler und das Läuten der Glocken sollen demnach auch das unter der Schneedecke kei­mende Getreide zum Wach­sen bringen. Tatsächlich ist der Glöcklerlauf aber viel jün­ger. Erstmals wurde er 1873 dokumentiert. Ein Gmundner Chronist hatte von Ebenseer Bur­schen berichtet, die, ausgestattet mit Kuhglocken und mit trans­parenten Pa­pier­la­ter­nen auf den Köpfen im Gänsemarsch Tanzfiguren auf­führten.
Für die weiße Kleidung der Glöckler gibt es verschiedene Erklärungen: Eine davon besagt, dass Kirche und Polizei früher gegen diesen Brauch heid­ni­schen Ursprungs gewesen seien. Um sich also bei Verfolgung schnell im Schnee ver­stecken zu können, zogen die Glöckler ein weißes Gewand an.
Franz Gilles­ber­ger, Ebenseer Historiker und Leiter des Ebenseer Museums meint, es handelte sich um eine besondere Art des Heischens (Betteln). Tat­sächlich leitet sich der Name "Glöck­ler" vom mittelhochdeutschen "klocken" (= anklopfen) ab und be­zieht sich auf ältere Heischebräuche mit Masken, bei dem in den so­ge­nann­ten An­klopf­näch­ten von Tür zu Tür gegangen wird.

Punkt 18 Uhr am 5. Jänner wird die Straßenbeleuchtung in Ebensee ausgeschaltet. Und schon kommen, etwas gespenstisch, laut und rhythmisch schellend die ersten Passen aus dem Dunkel der Nacht. Zunächst sammeln sich die Passen im Zentrum des Ortes, um den "tou­ristischen" Teil des Glöck­lerlaufs durch­zu­füh­ren, sie laufen Mäander und Schleifen vor Hunderten von Besuchern, die aus der nahen und fernen Umgebung gekommen sind. Nach dem Lauf werden traditionelle Lieder gesungen.
Die Läufer (Glöckler) tragen bis zu eineinhalb Meter hohe, zwei­ein­halb Me­ter lange und 17 kg schwere Kappen. Diese bestehen aus einem Gerüst aus Holzstäben, das mit buntem trans­parentem Papier überzogen wird. In dieses wurden Muster aus Blumen-, Weih­nachts- und Heimatmotiven geschnitten. Kerzen im Inneren der Kappen lassen diese wie beleuchtete Kir­chen­fenster aussehen. Die Formen der Kappen entsprechen Pyramiden, Sonnen, Halb­mon­de, Kronen oder Sternen. An einem Gürtel tragen die Glöckler eine Kuhglocke, die bei jedem Schritt laut schellt.
Die Glöckler laufen in sogenannten Passen zu jeweils rund 20 Personen. Der Vorläufer gibt dabei mit seinem Holzstab ein Zeichen für die zu laufenden Fi­gu­ren, etwa einen Achter oder einen Kreis, Symbole, die für die Unend­lich­keit und die ewige Wiederkehr stehen sollen.
Die Glöckler finanzieren sich durch die freiwilligen Spenden der Zuschauer. Um sicherzugehen, lau­fen sogenannte Osaumla (Einsammler) mit den Glöcklern. Sie sind mit einem weißen Säckchen oder mit einer Büchse in der Hand unterwegs und verlangen höflich, und zwar jeweils für ihre Pass, nach einem kleinen Obolus.
Nachdem die Passen den "Schauspektakel"-Teil im Ortszentrum absolviert haben, laufen sie weiter zu einzelnen ausgewählten Häusern, wo sie sich aber­mals in Kreisen, Schleifen und Achtern formieren. Dafür erhalten sie Spen­den – den sogenannten "Glöcklerkreuzer", der den Begleitern der Passen zugesteckt wird – und Verpflegung in form von Tee, Glühmost, Glühwein, Schmalz- und Wurst­broten sowie Bauernkrapfen, die an diesem Tag aber Glöck­lerkrapfen ge­nannt werden; oft wird ihnen auch Schnaps ange­bo­ten.
Bei einer Ver­sammlung kurz vor dem Glöcklerlauf wurde genau fest­ge­legt, welche Pass wann von welchem Haushalt versorgt werden soll. Den Haus­hal­ten, die zur Versorgung der Glöckler beitragen, kommt eine be­son­dere Ehre zu: Ein extra Kreis, wenn die Läufer kommen, und ein extra Kreis, wenn sie wieder gehen. Oft werden auch Lieder gesungen.

Eine Kinder-Passe
Die Einbindung der Jugend in den Glöcklerlauf ist den Glöck­lern ein wichtiges Anliegen. Damit der Wert und die Freude an dieser Tradition an die nächsten Generationen vermittelt wird, gibt es eigene Kinder- und Jugend­pas­sen. Während der Tradition ent­spre­chend nur unverheiratete junge Männer an den Läufen teilnehmen durften, so ist dies schon seit Langem kein Auf­nah­me­kriterium mehr.

Seit 2010 sind auch Frauen dabei
Im Jahr 2009 wollten die Frauen ihren Ausschluss aus dem Glöcklerlauf nicht länger hinnehmen und es wurde die erste Frauen-Glöcklerpasse ge­grün­det. "Brauchtum wird in Ebensee gelebt und geliebt, und zwar von den Frauen und den Männern!“, sagte Iris Kästel, die Ge­schäfts­füh­re­rin des Frauen­forums Salz­kam­mer­gut. Zum Ausfertigen der Glöckerkappen würden Frauen zwar gerne gesehen, aber aus dem Lauf selbst seien sie von den Männern strikt ausgeschlossen worden. 2010 war es dann endlich so weit und die erste Frau­en­pass nahm am Ebenseer Glöcklerlauf teil. Die Motive der Kappen erzählten die Frauengeschichte von Ebensee.
Glöckler in Ebensee (2015)
Der Einzug der Moderne: Manchmal werden die Kerzen in den Kappen durch kleine Glühbirnen oder LED-Lampen ersetzt. Dadurch ist die Brand­ge­fahr gebannt und die Beleuchtung kann auch bei Wind nicht erlöschen. Aller­dings fehlt dadurch ein wenig der Zauber der fla­ckernden Lichter der Kerzen, was nach Mei­nung der Traditionalisten maßgeblich zur schönen Stimmung beiträgt.
 
 
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