Karl Kraus (1874-1936) kam als Sohn
des jüdischen Fabrikanten Jakob Kraus und seiner Frau Ernestine im böhmischen Jičín (deutsch: Jitschin) (damals zu Österreich-Ungarn gehörend) auf die Welt. Er war einer der bedeutendsten österreichischen Autoren des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Er war Satiriker, Lyriker, Aphoristiker und Dramatiker, Sprach-, Kultur- und Gesellschaftskritiker. Er war insbesondere ein Kritiker der Presse und des Hetzjournalismus, der Journaille, wie er es gerne formulierte. Er trat 1899 aus der jüdischen Religionsgemeinschaft aus und konvertierte 1911 zum Katholizismus, von dem er sich aber 1923 wieder abwandte.
1877 zog er mit der Familie nach Wien, wo seine Mutter 1891 starb.
Im Jahr 1892, nach dem Abitur, begann Kraus ein Jurastudium an der Universität Wien. Er wechselte aber bald das Fach und studierte bis 1896 Philosophie und Germanistik, ohne jedoch das Studium abzuschließen. Während dieser Zeit veröffentlichte er bereits verschiedene literaturkritische Beiträge. Er versuchte sich unter anderem auch als Schauspieler und Regisseur. Im April 1892 erschien in der Wiener Literaturzeitung seine Rezension von Gerhart Hauptmanns Drama Die Weber.
1897 veröffentlichte er die Satire „Die demolierte Literatur“, die zu einem Publikumserfolg wurde. Darin distanzierte er sich von der Gruppe „Jung-Wien“, mit der er befreundet war, und zog sich die Feindschaft der von ihm bloßgestellten Literaten zu. Im gleichen Jahr wurde er Korrespondent der Breslauer Zeitung.
Im April 1899 gründete Kraus die Zeitschrift „Die Fackel", an der in den folgenden Jahren viele bekannte Künstler und Literaten mitarbeiteten. "Die Fackel" entwickelte sich zu einer der führenden kultur- und gesellschaftskritischen Zeitschriften und erschien 37 Jahre lang.
1901 begann ein Prozess, den Hermann Bahr und Emmerich Bukovics gegen Karl Kraus führten, weil dieser sie in der Zeitschift „DieFackel“ der Korruption bezichtigt hatte – ein Prozess, den Karl Kraus verlor. Im Laufe seines Lebens würde Kraus noch weitere Prozesse dieser Art führen müssen. Im selben Jahr bemächtigte sich sein Verleger Moritz Frisch der Fackel, indem er das Titelblatt der Zeitschrift unter dem eigenen Namen als Marke eintragen ließ und eine neue Zeitschrift, die „Neue Fackel", herausgab. Frisch und sein Sohn Justinian führten mit Kraus einen Prozess um den Namen „Fackel“, in dem sie aber unterlagen. Von da an erschien „Die Fackel“ allerdings ohne Titelbild.
1909 erschienen in dem Band „Sprüche und Widersprüche“ erste Aphorismen. 1911 kritisierte Kraus in seinem Essay „Heine und die Folgen“ den Niedergang der zeitgenössischen Literatur. Seit diesem Jahr war Kraus auch der einzige Autor der „Fackel“.
Wegen der pazifistischen Haltung, die Karl Kraus in der „Fackel“ vertrat, und seiner Kritik an der österreichische Kriegspolitik, wurde die Zeitschrift während des Ersten Weltkriegs mehrmals beschlagnahmt.
Die letzten Tage der Menschheit
1916: Um gegen die zunehmende Sprachlosigkeit seiner Zeit anzukämpfen, rezitierte Kraus in seinem "Theater der Dichtung" eine Reihe dramatischer Texte, die auf das Sprachbewusstsein früherer Zeiten anknüpften. Bis 1930 veröffentlichte er neun Lyrikbände, in denen er wie im "Theater der Dichtung" versuchte, das verlorene Sprachbewusstsein wieder aufstehen zu lassen.
1918-19 erschien in der „Fackel“ sein großes Antikriegsdrama "Die letzten Tage der Menschheit", das den Untergang der österreichischen Vorkriegsgesellschaft erzählt und vor dem Untergang der Menschheit spricht.
Helmut Qualtinger liest aus „Die letzten Tage der Menschheit"
In den 1920er Jahren polemisierte Karl Kraus besonders gegen die Machenschaften der Wiener Polizei und Presse. Bereits 1932 warnte er in zahlreichen Vorlesungen und Presseartikeln vor der drohenden Entmenschlichung durch den Nationalsozialismus. 1933 erschien nach der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland monatelang keine Ausgabe der Fackel.
Erlaubt ist, was mißfällt
Mit seinem Heft „Die dritte Walpurgisnacht“, das er im Mai 1933 zu schreiben begann, und das eine Analyse der Nationalsozialisten und deren Sympathisanten beinhaltet, profezeite er bereits den Weltkrieg und den Holocaust. Weil die Publikation Menschenleben gefährden hätte können, hielt er die Ausgabe aber zurück. Sie wurde vollständig erst 1952 postum publiziert.
Im Feber 1936 erschien das letzte Heft der „Fackel“. Am 12. Juni 1936 starb Karl Kraus in Wien.
Zitate (Aphorismen)
„Nichts ist unergrünicher
als die Oberflächlichkeit des Weibes.“
„Das Wort 'Familienbande'
hat einen Beigeschmack von Wahrheit.“
„Es ist nicht wahr, daß man
ohne eine Frau nicht leben kann. Man kann bloß ohne eine
Frau nicht gelebt haben.“
„Die Einsamkeit wäre ein idealer
Zustand, wenn man sich die Menschen aussuchen könnte, die
man meidet.“
Karl Kraus - Gerüchte
„Die Welt ist ein Gefängnis,
in dem Einzelhaft vorzuziehen ist.“
„Es gibt Schriftsteller, die schon
in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal
sogar zwei Zeilen brauche.“
„In keiner Sprache kann man sich
so schwer verständigen wie in der Sprache.“
„Ich bin jederzeit bereit, zu veröffentlichen,
was ich einem Freund unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit
mitgeteilt habe. Aber er darf es nicht weitersagen.“
„Die Deutschen das Volk der
Richter und Henker.“
„Die Leute verstehen nicht deutsch;
und auf journalistisch kann ichs ihnen nicht sagen.“
„Eine Notlüge ist immer verzeihlich.
Wer aber ohne Zwang die Wahrheit sagt, verdient keine Nachsicht.“
„Man muß oft erst nachdenken,
worüber man sich freut; aber man weiß immer, worüber
man traurig ist.“
„Man lebt nicht einmal einmal.“
„Moderne Architektur ist das aus
der richtigen Erkenntnis einer fehlenden Notwendigkeit erschaffene
Überflüssige.“
„Der Übermensch ist ein verfrühtes
Ideal, das den Menschen voraussetzt.“
„Bei gleicher Geistlosigkeit kommt
es auf den Unterschied der Körperfülle an. Ein Dummkopf
sollte nicht zu viel
Raum einnehmen.“
„Der Schwache zweifelt vor der Entscheidung,
der Starke hernach.“
„Bevor man das Leben über sich
ergehen lässt, sollte man sich narkotisieren lassen.“
„Hass muss produktiv machen, sonst
ist es gleich gescheiter zu lieben.“
„Ich mische mich nicht gern in meine
Privatangelegenheiten.“
„Die Gedankenfreiheit haben wir.
Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.“
„Wenn ich manche Leute zurückgrüße,
so geschieht das nur, um ihnen ihren Gruß zurückzugeben.“
Einen ausführlicheren Lebenslauf
von Karl Kraus finden Sie bei Wikipedia.
Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt. Aphorismen, Sprüche und Widersprüche
Karl Kraus liest aus eigenen Schriften (von Karl Kraus und Alfred Polgar) [Audio-CD]