Deutschland und Österreich verbinden nicht nur die Gemeinsamkeiten in der Sprache und der Kultur, sondern auch eine über Jahrhunderte ineinander eng verflochtene Geschichte. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation waren Österreicher wie Deutsche vertreten, und die Habsburger stellten über mehrere Jahrhunderte den deutschen Kaiser und regierten von Wien aus den Vielvölkerstaat. Die Habsburger waren – und haben dies immer betont – deutsche Fürsten, und sie blieben es auch, als sie 1806 den Titel als"Römische Kaiser deutscher Nation" ablegen mussten.
Es waren die Siegermächte des Ersten Weltkriegs, die den Vielvölkerstaat zerstückelten und ein deutsches "Restösterreich" schufen, obwohl sich verschiedene Volksabstimmungen für den Beitritt zum Deutschen Reich ausgesprochen hatten. Die junge Republik war ein alleiniges Konstrukt der Alliierten, nur geschaffen, um Deutschland zu schwächen. Und es waren wieder die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, die nach der Niederlage von Nazideutschland beschlossen, Österreich als eigenständige Republik wiederherzustellen. Die zweite österreichische Republik zeichnete sich dadurch aus, dass sie jede Verbindung zum Deutschtum leugnete. Historisch gesehen ist also eine Unterscheidung zwischen Deutsche und Österreicher eine recht junge Angelegenheit.
Für die Entwicklung einer österreichischen Identität in Richtung Eigenständigkeit halfen im Wesentlichen folgende Fakten: der verlorene Krieg – falls Hitler den Krieg gewonnen hätte, wären die Österreicher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geistig im Deutschtum hängen geblieben –, der erfolgreiche Wiederaufbau und nicht zuletzt der nostalgische Zauber der großen k. u. k. Vergangenheit.
Dennoch steht bereits seit längerer Zeit fest: Die Österreicher haben es geschafft, sich als Österreicher zu fühlen. 2008 stellten nur noch sieben Prozent der Bevölkerung die österreichische Nation infrage – 1956 waren es noch 47 Prozent gewesen. Eine große Mehrheit der Österreicher sagt „Die Österreicher sind eine Nation“.
Sie haben ein gefestigtes, nicht deutsches Nationalbewusstsein.
Stammtisch-Klischees
An deutschen Stammtischen werden die Österreicher nicht selten herablassend Ösis genannt, und zwar für nett gehalten, aber auch für langsam, dumm und faul. Man gesteht den Österreichern gerne zu, dass sie gute Skifahrer seien, aber beim Fußball eine Lachnummer. Der sogenannte „Österreicherwitz“ ist eines der Ergebnisse dieser Einstellung. In etwas gebildeteren Kreisen wirft man den Österreichern eher wachsenden Provinzialismus und das Erstarken ausländerfeindlicher Parteien vor.
Wohlgesinntere halten die Österreicher immerhin für kreative Künstler, gute Musiker und Filmschauspieler.
Die Deutschen werden andrerseits in Österreich auch heute noch gerne „diePiefkes“ genannt. Es grassiert das Ressentiment vom rechthaberischen, humorlosen Deutschen, der den Einheimischen die Studienplätze wegnimmt. Sie gelten als vorlaut, besserwisserisch, überpünktlich, uncharmant und konfliktsuchend. Im kulturellen Bereich fühlen sich die Österreicher - etwas verallgemeinernd - den Deutschen überlegen. Aus österreichischer Sicht fehlt den Deutschen die Esskultur. Fleiß und Ehrlichkeit werden den Deutschen immerhin noch zugestanden.
Meinungen
Johann Marte, ehemaliger Generaldirektor der Österreichischen Nationalbibliothek, schrieb einmal: „Österreichisches Denken und Philosophieren war nie eindimensional. Geschlossene Ideengebäude, radikale Standpunkte waren den Österreichern immer fremd. Daher konnte sich in Österreich beispielsweise der deutsche Idealismus eines Fichte, Schelling oder Hegel nie durchsetzen. Auch der kategorische Imperativ ist der österreichischen Wesensart fremd.“
Als der österreichische Oscar-Preisträger Chris-toph Waltz von Conan O'Brien, dem Moderator einer bekannten amerikanischen Late-Night-Talkshow gefragt wurde, worin der Unterschied zwischen Österreichern und Deutschen läge, meint Waltz, dass sich die Österreicher das Leben gerne leichter machten. Die Österreicher seien sehr höflich. Aber sie meinten das nicht unbedingt ehrlich. Die Deutschen seien hingegen sehr direkt und würden Österreicher eher für schleimig und dubios halten. Als O'Brien fragte, was dem Klischee dran sei, dass die Deutschen keinen Humor hätten, antwortete Waltz kurz und bündig: „Das ist kein Klischee.“
Warum Österreich nicht Deutschland ist
Vergangenheitsbewältigung
Die Deutschen haben ihre „Vergangenheit“ derart gründlich „bewältigt“, dass man es als nicht Deutscher kaum wagen darf, abzustreiten, dass die ärgste, grausamste und unmenschlichste aller Dik-taturen in der bisherigen Geschichte jene in Deutsch-land gewesen sei. Die Deutschen sind heute ohne Zweifel Weltmeister im „Asche-aufs-Haupt-streuen“.
Während in Deutschland die (nahe) Vergangenheit also faktisch ad acta gelegt wurde, ist sie in Ös-terreich nur „beiseite“ gelegt worden, man will sie nur vergessen. Man war ja schließlich „Opfer“. Schließ-lich sieht es – mit Ausnahme der Zeit der sogenannten Waldheim-Affäre – auch die Welt so. Man kann also hier keinesfalls von Vergangenheitsbewältigung sprechen, es handelt sich um schiere Vergangenheitsverdrängung.
Ohne meinem Titel bin ich nichts
„Die Sachertorte für Frau Magister, die Melange für Herrn Diplom-Ingenieur, den kleinen Braunen für Frau Oberstudienrat und das kleine Gulasch für den Herrn Diplomingenieur! Mahlzeit die Herrschaften!“ Kein Oberkellner in einem österreichischen Kaffee-haus, der etwas auf sich hält, würde den Titel eines Stammgastes auslassen, falls er einen solchen kennt. So etwas gehört sich halt in der Alpenrepublik.
Zwar sind die akademischen Titel, die in den zwei Ländern üblich sind, gleich, jedoch wird ihnen in Österreich viel mehr Bedeutung beigemessen, als man es in Deutschland gewohnt ist. Genauer gesagt kann man bei den Österreichern von Titel-ver-liebt-heit sprechen, die sich bis zu Titel-wahn steigern kann. Die Donaumonarchie ist zwar seit fast 100 Jahren tot, die Adelstitel sind in Österreich nicht mehr gültig, aber der Titelwahn lebt weiter und treibt die seltsamsten Blüten.
Die seltsamste dieser typisch österreichischen Blüten ist die Vereinnahmung eines Titels durch die Ehegattin. Ehefrauen, die „Frau Doktor“ oder „Frau In-ge-nieur“ genannt werden, nicht weil sie es sind, sondern lediglich weil ihr Mann eben Doktor oder Ingenieur ist.
Falls jemand das Pech hat, keinen Berufstitel auf-wei-sen zu können, ist das kein Problem! Es gibt ja schließlich Berufsbezeichnungen: wie beispielsweise, Baumeister, Forstadjunkt oder Ingenieurkonsulent. Rund 900 Amts-, Berufs- und akademische Titel zählte der Autor Heinz Kasparovsky für sein Buch „Titel in Österreich“ auf.
Zigarettenrauch-Rekord
Österreicher sin im Europavergleich traurige Spit-zenrei-ter beim Zigarettenkonsum. Der Anteil von Rauchern in der Bevölkerung lag im Jahr 2011 bei 34%, um einiges höher als jener der Deutschen mit deren „tugendhaften“26%. In allen internationalen Statistiken liegt die Alpenrepublik mit ihrem Anteil an rauchenden Teenagern unangefochten auf Platz eins. Und auch beim Raucherschutz hinken die Österreicher hinterher. Österreichs Kneipen sind in Mitteleuropa die verqualmte Ausnahme. Österreich hat die Rauchverbote für Restaurants und Bars so mild umgesetzt, dass sie praktisch wirkungslos sind.
Sind Österreicher korrupter als die Deutschen?
Transparency International, eine weltweit agierende Nichtregierungsorganisation, die sich in der na-tio-na-len und internationalen volks- und betriebswirtschaftlichen Korruptionsbekämpfung engagiert, stellt jedes Jahr ein Ranking von 174 Ländern zusammen. Durch Umfragen und Untersuchungen wird die Anfälligkeit von Behörden, Politik und Einzelpersonen für Korruption erhoben. Deutschland liegt laut TI auf Platz 13, weit vor Österreich, das nur auf Platz 25 liegt.
Sind Österreicher kompetitiver als die Deutschen?
Auch hier haben die Deutschen einen Vorsprung: Von 148 untersuchten Ländern beim Standort-Ranking 2013 des World Economic Forum (WEF) erreichte Österreich den 16. Rang, während sich Deutschland seit 2012 auf Rang 4 hochgearbeitet hat.
Sind Österreicher glücklicher als die Deutschen?
Die Vereinten Nationen haben ermittelt, in welchen Ländern die Menschen am glücklichsten sind. Während Deutschland nur auf dem 26. Platz der insgesamt rund 160 ausgewerteten Länder steht, liegt Österreich auf Platz Acht. Relevant für die Statistik sind elf Kriterien. Dazu zählen nicht nur materielle Dinge wie das Einkommen oder die Woh-nungs-si-tua-tion der Bürger. In die Bewertung fließen auch schwieriger zu erhebende Daten wie die Unterstützung sozialer Gruppen oder das zivile Engagement mit ein.
Als Piefke in Österreich
Worauf Völker stolz sind, ist ein guter Indikator für das, was sie für ihre (positiven) Eigenschaften halten.
Worauf sind Österreicher stolz?
Laut einer Umfrage sind Österreicher besonders stolz auf die intakte Natur Österreichs und auf die von den heimischen Bauern gepflegte Landschaft, auf Essen und Trinken und die heimischen Lebensmittel. Womit die Bauern mit ihren Produkten noch vor den Er-folgen österreichischer Sportler und Künstler lie-gen. Stolz sind sie die Österreicher auch auf die Ärzteschaft und die sichere Altersversorgung, auf die politische Neutralität ihres Landes und den Verzicht auf die Atomkraft. Was ist ihnen sympathisch? Sicherheit, Heimat, Ordnung. Wie sehen sie sich selbst? Zu drei Vierteln als „sympathisch, gesellig, fleißig, gebildet, gescheit und erfolgreich“.
Worauf sind Deutsche stolz?
Deutsche sind hingegen u.a. stolz auf Goethe, Schiller und auf die zahlreichen großen Dichter und Philosophen, auf die schönen Landschaften des Landes, auf die klassischen deutschen Komponisten, auf die deutsche Technik, Industrie, Wissenschaft und Forschung, auf die sozialen Leistungen in ihrem Land, die soziale Sicherheit, auf den Fleiß und die Ar-beits-freude ihrer Landsleute, auf die deutschen Autos, die Leistungen im Fußball und die Tapferkeit der deutschen Soldaten.
Lieben Österreicher die Deutschen?
Zumindest scheint es, dass das Bild des sturen, arroganten Piefkes in Österreich am Verblassen ist. Die Presse schrieb 2012 anlässlich der Fußball EM in einem „Brief an unsere neuen deutschen Freunde“: „Jetzt ist alles anders. Und das liegt nicht nur daran, dass Deutschland schöner spielt. Nein, das geht tiefer. Die Jungen hassen euch Piefkes nicht mehr. Das kommt vom vielen Fernsehen. Na, und verändert habt ihr euch ja auch. Viel lockerer und entspannter seid ihr geworden, nicht mehr so steif und über-korrekt.“