Es ist keinesfalls Zufall, dass Prinz Eugen, der auf dem Wiener Heldenplatz in einem lebensgroßen Denkmal dargestellt ist, auf einem Lipizzaner reitet, der eine Levade vollführt. Ganz in der Nähe befindet sich die Hofburg. Dort ist in dem 1735 von Josef Emanuel Fischer erbauten Trakt die Spanische Hofreitschule untergebracht.
Die Spanische Hofreitschule ist die einzige Institution auf der Welt, an der die klassische Reitkunst in der Renaissancetradition der "Hohen Schule" seit 450 Jahren gelebt und unverändert gepflegt wird. Rund 300.000 Besucher zählt die Spanische Hofreitschule jedes Jahr, der Großteil – mehr als 80 % – kommt aus dem Ausland.
Die Spanische Hofreitschule hatte sich schon seit Längerem um die Auszeichnung UNESCO-Weltkulturerbe bemüht. Dafür musste die Traditionseinrichtung zunächst in die Liste des nationalen UNESCO-Kulturerbes aufgenommen werden, was bereits 2010 geschah. Jetzt ist die Entscheidung über die Aufnahme der Hofreitschule im Rahmen einer Tagung des Zwischenstaatlichen Komitees des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes in Windhoek in Namibia gefallen.
Lipizzaner
Die älteste Reitschule der Welt ist aus dem bereits 1565 bekannten "Spanischen Reithstall" entstanden. Der Name leitet sich ab von der auf der Iberischen Halbinsel heimischen Pferderasse, die sich als besonders befähigt für die klassische Reitkunst erwies und schon zur Römerzeit berühmt war. In Spanien gibt es auch heute noch eine Reitschule, die ähnliche Ziele verfolgt.
Die Hauptaufgabe des Spanischen Reithstalls bestand ebenso wie die aller anderen um diese Zeit an den europäischen Fürstenhöfen entstandenen Reitschulen in der Erziehung der adeligen Jugend, künftigen Diplomaten und Feldherrn.
Maximilian II., der spätere Kaiser des Heiligen Römischen ReichesDeutscher Nation und Erzherzog zu Österreich von 1564 bis 1576, begann mit der Zucht andalusischer Pferde im Jahr 1562. Erzherzog Karl II. ließ ihnen im Jahr 1580 ihr Gestüt in der Karstlandschaft von Lipizza (Lipica im heutigen Slowenien) bauen. Damit kam es zu einer entscheidenden Wende.
Spanische Hofreitschule
Dies stellte sich nämlich als besonderer Vorteil heraus. Jenes Gras, das in der kargen Karstlandschaft wächst, fördert, obwohl arm an Nährstoffen, den Knochenbau von Pferden. Widerstandsfähigkeit und Ausdauer waren genau das, was der Wiener Hof brauchte. Die Spanische Hofreitschule wurde nahe der Wiener Hofburg im Jahre 1572 gegründet und war der Hauptabnehmer dieser Züchtung. Heute gelten die Lipizzaner als die älteste Kulturpferderasse Europas.
Der Nachwuchs der Lipizzaner wächst heute im Zuchtgestüt Piber in der Steiermark heran. Dort werden die für die Hohe Schule der Reitkunst besonders geeigneten Hengste ausgewählt. Sie beginnen im Alter von vier Jahren ihre Laufbahn in Wien. Oberster Grundsatz dabei ist das Wohl des Pferdes, sein Charakter und seine Fähigkeiten werden bis ins Detail respektiert.
450 Jahre Gala Spanische Hofreitschule 2015 am Heldenplatz
Dabei wird der ältesten Kulturpferderasse Europas nichts Unnatürliches abverlangt. Die Vorführungen entsprechen dem, wie die Lipizzaner sich auf den Weiden bewegen – verschiedene Gangarten, Schrittwechsel, Sprünge –, nur in geschulter Form: Durch das Training werden die natürlichen Bewegungsabläufe der Lipizzaner in die genau gestalteten Figuren der Hohen Schule umgesetzt. Das Wissen über die Hohe Schule der klassischen Reitkunst wird seit über 400 Jahren mündlich weitergegeben. Sind die weißen Hengste fertig ausgebildet, werden sie als "Professor" angesprochen.
Galopppirouette, Galoppwechsel, Passagetravers, Piaffe, Piaffepirouette, Levade, Pesade, Courbette, Kapriole, Croupade und Ballotade, so heißen die beeindruckenden Figuren der Lipizzaner, die in der Spanischen Hofreitschule in Wien das Publikum begeistern.
Dauert die Ausbildung eines Hengsten etwa sechs Jahre, so brauchen seine Bereiter zehn bis zwölf Ausbildungsjahre. In den ersten vier bis fünf Jahren üben sie vor allem den richtigen Sitz im Sattel. Seit dem Jahr 2008 – erstmals in der Geschichte der Spanischen Hofreitschule – werden auch Frauen als Bereiterinnen aufgenommen.
Detailliertere Informationen über die Spanische Hofreitschule erfahren Sie auf deren Webseite.