Persönlichkeiten

Bruno Kreisky, der langjährige Kanzler



Meine Mutter arbeitete damals am Öster­rei­chi­schen Konsulat in Genua und brachte somit regelmäßig eine Vielzahl von Presse­er­zeug­nissen nach Hause (Die Arbeiter-Zeitung, Die Furche, Die Presse, ...). Anders hätte ich von der Politik meines Heimat­lan­des wohl kaum viel erfahren. Unnötig zu sagen: Bruno Kreisky war jahrelang in allen Medien überpräsent, ich konn­te nicht umhin, als mich mit dieser bedeutenden Persönlichkeit ausei­nan­der­zu­setzen.
Er war der bedeutendste österreichische Politiker der Nachkriegszeit. 26 Jahre lang hatte er der österreichischen Regierung angehört, davon 13 Jahre lang als Bundeskanzler, Jahre, in denen Österreich eine weltoffene und moderne De­mo­kratie wurde.
Bruno Kreisky wurde als zweitältester Sohn einer großbürgerlichen jüdischen Wiener Familie am 22. Jänner 1911 in Wien geboren.
Ab 1926: in der Sozialistischen Arbeiterjugend tätig.
Während seiner Schul­zeit kam er mit der Arbeiterbewegung in Kontakt und schloss sich 1926 der sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) an, von der er bald zum Obmann wurde. 1929 begann Bruno Kreisky auf Rat Otto Bauers das Studium der Rechts­wis­sen­schaften. 1934 rief er gegen den wachsenden Faschismus in Österreich auf.
1935-1936 und 1938: polititische Freiheitsstrafen

Als der damalige autoritär re­gie­rende Bun­des­kanz­ler En­gel­bert Doll­fuß 1934 nach dem Auf­stand der ös­ter­rei­chi­schen Ar­bei­ter die So­zial­de­mo­kra­ti­sche Par­tei, die Ge­werk­schaf­ten, die Ar­bei­ter-Zei­tung und alle so­zial­de­mo­kra­ti­schen Ar­bei­ter­or­ga­ni­sa­tio­nen verbieten ließ, gründete Kreisky gemeinsam mit Franz Olah und Roman Felleis die Revolutionäre Sozialistische Jugend. Daraufhin wurde er 1935 ver­haf­tet und im großen Sozialistenprozess im Jänner 1936, wo er eine viel­be­ach­tete Verteidigungsrede hielt, wegen Hoch­verrats zu einem Jahr Kerker ver­urteilt. Nach der Entlassung aus der Haft wurde ihm der weitere Hochschulbesuch ver­bo­ten, ins Ausland und in Wien arbeiten durfte er auch nicht. So kam er in einer Lodenfabrik in Hermagor unter.

Am 14. März 1938, nur einen Tag nach dem „An­schluss“ Österreichs, legte Kreisky seine letz­te Prüfung an der Universität Wien ab. Am nächsten Tag befand er sich bereits in „Schutz­haft". Nach einigen Monaten Haft wurde er vor die Wahl gestellt, entweder in Haft zu bleiben oder das Land zu verlassen.
1938-1945: im schwedischen Exil

Ende September konnte Kreisky jedoch nach Schweden emigrieren, wo er als Sekretär in der Stockholmer Konsumgenossenschaft und als Korrespondent verschiedener Zeitungen ar­bei­tete. 1940 traf er Willy Brandt, der zu einem seiner engsten Weggefährten werden sollte. 1942 heiratete er Vera Fürth, zwei Jahre später wurde sein Sohn Peter und 1948 die Tochter Susanne ge­boren.

1946-1949: Diplomat in Stockholm
1946 konnte Kreisky erstmals wieder nach Ös­terreich zurückkehren, nach­dem ihm die US-Besatzungsmacht ein Jahr zuvor noch die Einreise verweigert hatte. Im Juli 1946 wurde er zum österreichischen Interessensvertreter in Schwe­den bestellt. Ende 1949 kehrte er endgültig nach Österreich zurück.
1949-1955: Berater des Bundespräsidents, ab 1953 Staatssekretär
Ende 1949 kehrte er endgültig nach Österreich zurück. 1951 wurde er Kabi­netts­vizedirektor bei Bundespräsident Theodor Körner, im April 1953 Staats­se­kre­tär im Außenamt. In dieser Funktion nahm er auch an den Staats­ver­trags­ver­han­dlungen teil, die 1955 erfolgreich abgeschlossen werden konnten.
1956-1966: Abgeorneter im Nationalrat und (ab 1959) Außenminister

1956 wurde er als Abgeordneter in den Na­tio­nalrat gewählt. Am 16. Juli 1959 wurde er Außenminister unter Bundeskanzler Julius Raab, eine Funktion, die er bis zum Bruch der Großen Koalition im Frühjahr 1966 innehaben sollte. In dieser Funktion war er beteiligt an der Gründung der EFTA, arbeitete an der Erstellung des Südtirol-Pakets und schlug einen „Marshall-Plan“ für die Dritte Welt vor. Nachdem die ÖVP bei der Nationalratswahl in Österreich 1966 die absolute Mehrheit erreicht hatte, wurde Lujo Toncic-Sorinj Außenminister.

1967-1983: Bundesparteivorsitzender der SPÖ
1970-1983: Bundeskanzler
1976-1989: Vizepräsident der Sozialistischen Internationale
1967 wurde Bruno Kreisky als Nachfolger von Bruno Pittermann Bundes­vor­sitz­ender der SPÖ und führte diese bei den Parlamentswahlen 1970 zur re­la­tiven Mehrheit. Er bildete eine Min­der­heits­regierung unter Duldung der FPÖ und wurde 1970 als Nachfolger von Josef Klaus Bundeskanzler. Bei der Na­tio­nalratswahl in Österreich 1971 eroberte die SPÖ die absolute Mehrheit und wiederholte dieses später zwei Mal. In diese Zeit fällt auch der Beginn der, bis zu seinem Tod dauernden, Feindschaft zu Simon Wiesenthal. Auslöser war die sogenannte Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre.
Bruno Kreiskys leitete eine Reihe von Reformen im Sozial- und Rechtssystem sowie in der Demokratisierung der Hochschulen ein, unter anderem eine Re­form des Familienrechts und des Strafvollzuges und Gesetze zur Gleich­be­rech­ti­gung. Abtreibung und Homosexualität wurden legalisiert. Sozial­leis­tun­gen für Arbeitnehmer wurden ausgeweitet, unter anderem wurde die Wo­chen­arbeitszeit auf 40 Stunden reduziert.
Bruno Kreisky trat zwar für den Bau von Kern­kraftwerken in Österreich ein, als aber eine Volksabstimmung sich gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf wendete, beendete er dieses Programm.

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Schlag nach bei Markus: Österreich in seinem besten Geschichten und Anekdoten
Erinnerungen. Das Ver­mächt­nis des Jahr­hundert­po­li­tikers
von Bruno Kreisky

Der Sturz des Adlers: 120 Jahre Öster­rei­chi­sche
Sozial­de­mokratie

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Außenpolitisch engagierte sich Kreisky für die Beilegung des Nahostkonflikts. Er war ein Gegner des Zionismus und pflegte gute Beziehungen zu vielen arabischen Politikern wie Sadat und Gaddafi, sowie zur PLO. Gemeinsam mit Willy Brandt und Olof Palme förderte er den Nord-Süd-Dialog und setzte sich für eine aktive Friedens- und Entwicklungspolitik ein.

Bei den Nationalratswahlen 1983 verlor die SPÖ fünf Sitze im Nationalrat und damit die absolute Mehrheit. Kreisky verzichtete auf die Re­gie­rungs­bildung und schlug als Nachfolger Fred Sinowatz vor. Im Herbst legte er den Vorsitz der SPÖ zurück und zog sich ins Privatleben zurück.

1984 wurde Bruno Kreisky eine Niere transplantiert, nachdem er schon seit Jahren auf die Dialyse angewiesen war.
1987 trat Kreisky vom Ehrenvorsitz der SPÖ sowie von allen übrigen öffent­lichen Funktionen zurück. Schwere Verstimmungen zwischen Kreisky und der SPÖ-Spitze im Zusammenhang mit dem Koalitionsabkommen mit der ÖVP (Verlust des Außenministeriums) wurden als Grund angesehen.
1988 starb Bruno Kreiskys Ehefrau Vera unerwartet in Wien.

1989 beendete er seine Tätigkeit für die Sozialistische Internationale, deren stellvertretender Vorsitzender er seit 1976 war. Bruno Kreisky erhielt zahl­reiche Ehrungen und Doktorwürden. Er war einer der bekanntesten und bedeutendsten Politiker der sozialistischen Bewegung und gilt als großer österreichischer Staatsmann.

Am 29. Juli 1990 starb Bruno Kreisky in Wien.