Er war der Lieblingsfernsehjournalist meiner vor Jahrzehnten verstorbenen Tante Marta. Er ist somit quasi zum Bestandteil meiner Familiengeschichte geworden. Und seine Erläuterungen und politischen Urteile waren bis zum Schluss immer noch klar, verständlich und sehr überzeugend.
In Österreich gibt es kaum Radiohörer oder Fernsehzuschauer, die nicht den Journalisten Hugo Portisch kennen.
Hugo Portisch (1927-2021) war ein österreichischer Journalist. Weil er es verstand, komplexe politische und wirtschaftliche Zusammenhänge einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen, wurde er in der Nachkriegszeit zu einem der bekanntesten und bedeutendsten Journalisten Österreichs. Wie kein Zweiter verstand es Portisch, Wissen mit einfachen Worten und großer Kompetenzr zu vermitteln. Mehrere Generationen waren dank Hugo Portisch in der Lage, einen Einblick in die Zeitgeschichte zu bekommen.
Hugo Portisch in Grafenegg
Der am 19. Februar 1927 in Pressburg (heute Bratislava, damals Tschekoslowakei) geborene Sohn österreichischer Elternstudierte nach seinem Abitur 1945 an der Universität Wien Geschichte, Germanistik, Anglistik und Publizistik. 1951 schloss er das Studium mit der Dissertation „Das Zeitungswesen und die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika vor und während des Bürgerkrieges 1861-1865“ als Dr. phil. ab. Im ALter von 31 Jahren war er bereits Chefredakteur einer Wiener Zeitung (dem Kurier) und nicht allzu viel Jahre Chefkommentator des ORF.
Österreich: Hinter den Kulissen der Politik
1953 wurde Portisch stellvertretender Leiter des österreichischen Informationsdiensts in New York. In dieser historisch bedeutsamen Zeit begleitete er u.a. Bundeskanzler Julius Raab als Pressesprecher bei Staatsbesuchen in den USA.
1954 kam er unter Hans Dichand zum Kurier und wurde am 1. Oktober 1958 sein Nachfolger als Chefredakteur. Nach dem Rundfunkvolksbegehren (das sich im Jahr 1964 das das Ziel gesetzt hatte, den Österreichischen Rundfunk von den Parteien unabhängig zu machen), kam er 1967 zum ORF und wurde dort zunächst Chefkommentator, später Auslandskorrespondent in London.
Hugo Portisch über die EU
Im Laufe der 1970er Jahre gründeten Portisch und der Journalist Sepp Riff eine Produktionsfirma und gestalteten für den ORF mehrere zeitgeschichtliche Dokumentationen wie Österreich I und Österreich II. Für die historische Dokumentarfilmreihe über die Geschichte Österreichs nach 1945 Österreich II erhielten die beiden Journalisten im Jahr 1983 eine Goldene Kamera.
Hugo Portisch über die Rating-Agenturen
1991 wurde Portisch sogar als Nachfolger des scheidenden Bundespräsidenten Kurt Waldheim vorgeschlagen. Die beiden politischen Gegner, die Parteien SPÖ und ÖVP, wären sogar bereit gewesen, ihn gemeinsam bei der Kandidatur zu unterstützen.
Für seine Arbeit wurde Hugo Portisch mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der Goldenen Kamera und dem Fernsehpreis "Romy" ausgezeichnet. 2010 war Portisch einer der vier Preisträger der renommierten Concordia-Preise. Nach der Veröffentlichug seines jüngsten Buches „Was jetzt?“ schrieb der Kurier: "Der Erklärer der Nation hat nichts von seiner Frische eingebüßt".
Das Buch, ein leidenschaftliches Plädoyer für die EU, stand wochenlang in den österreichischen Bestsellerlisten. Unter seinen zahlreichen Büchern (wie die Serie „So sah ich ... Sibirien ..., China ...“) findet man auch Unpolitisches. So verfasste er 1989 zusammen mit seiner Frau das Buch „Pilzesuchen – ein Vergnügen“.
Bundespräsident Heinz Fischer übermittelte Hugo Portisch ein Glückwunschschreiben zum 85. Geburtstag, in dem er ihm für seine unermüdlichen Einsatz für Anständigkeit und Fairness dankt: "Ihre Buchpublikationen und die daraus resultierenden Fernsehserien haben einen wesentlichen Anteil an der geistigen und gesellschaftlichen Diskussion in Österreich und tragen dazu bei, den Österreichern die Geschichte der Ersten und Zweiten Republik verständlich zu machen.".
"Ich wollte nicht Journalist werden, ich wollte einen Beruf ausüben, der es mir erlaubt, in die Welt hinauszugehen, fremde Länder zu sehen, andere Kulturen zu erleben." So steht am Anfang seiner am 16. Oktober 2015 erschienen Autobiografie.
Der wohl bekannteste Journalist Österreichs, der soeben noch im Fernsehen für die Coronaimpfung warb, ist am 1. April 2021 im Alter von 94 Jahren gestorben.