Nach
dem Ende des Ersten Weltkriegs gab es in Südtirol eine
klare Nationalitätengrenze, und zwar eine, die nicht
beim Brenner verlief, wie es die Italiener dem amerikanischen
Präsidenten Wilson suggerieren wollten, sondern bei Salurn (ital. Salorno).
England, Frankreich und Russland hatten Italien aber bereits
im April 1915 im Londoner Geheimvertrag die Brennergrenze versprochen,
so dass die Italiener bei Waffenstillstand die Grenze sofort
besetzten.
Mit dem endgültigen
Friedensvertrag von Saint Germain vom 10. September 1919 wurde
der Teil Tirols südlich des Brenners also zu Italien geschlagen.
König Vittorio Emanuele sicherte den neuen Provinzen sorgfältige
Wahrung der lokalen Institutionen und der Selbstverwaltung zu.
In den ersten zwei Jahren nach der Unterzeichnung hielt sich
Italien auch an diese Versprechungen.
Machtergreifung
Mussolinis
Am 28. Oktober 1922
traten die Faschisten den Marsch auf Rom an. Am nächsten
Tag übertrug der schwache König Mussolini die Regierung.
Die faschistische Regierung
begann sofort mit der Italiänisierung - heute würde
man ethnische Säuberung dazu sagen -, mit dem Versuch
also, die deutsche Minderheit in den einverleibten Gebieten
ihrer sprachlichen, kulturellen und historischen Identität
zu berauben und mit italienischer Bevölkerung
zu ersetzen, bzw. zu majorisieren.
Dies wollte man mit
folgenden Strategien erreichen: Assimilation der deutschsprachigen
Südtiroler, Förderung der Zuwanderung von Italienern
nach Südtirol und Ausbürgerung der deutschsprachigen
Südtiroler.
1923 wurde Südtirol
der Provinz Trento zugeschlagen, und am 23. Oktober wurde ein
Dekret erlassen, das für alle staatlichen Ämter und
öffentlichen Unternehmungen Italienisch als Amtssprache
einführte. Weitere Dekrete schafften den Schulunterricht
in deutscher Sprache ab (lex Gentile). Der daraufhin organisierte
Privatunterricht (Katakombenschulen) wurde strafrechtlich verfolgt.
Ab
diesem Jahr wurden auch die Tiroler Ortsnamen in italienisierte
"Rückübersetzungen" geändert. 12000
deutsche Ortsnamen, Aufschriften, sogar Grabinschriften wurden
verboten und 20000 deutsche Familiennamen italienisiert. Deutsche
Vereine wurden aufgelöst. Alles Deutsche wurde aus dem
öffentlichen Leben verbannt.
Ab 1924 wurde in allen Kindergärten die Verwendung der
italienischen Sprache angeordnet. Im Herbst des gleichen Jahres
wurden private Spielstuben verboten.
Ab
1923 wurden deutsche Zeitungen zensiert und dann verboten. Erst
auf Druck des Vatikans durften ab 1927 wieder deutsche
Zeitungen erscheinen.
Am 1. März 1924 wurde Italienisch als alleinige Amtssprache
eingeführt und in den darauf folgenden Jahren die deutschsprachigen
Beamten größtenteils entlassen.
Ab 1925 wurde bei Gericht nur noch die italienische Sprache
zugelassen.
Alle Neubauten mussten im italienischen Baustil ausge-
führt werden.
Weil all diese Maßnahmen
nicht zum gewünschten Ergebnis, die Südtiroler zu
assimilieren, führten, wurde zusätzlich versucht,
in Südtirol eine mehrheitlich italienische Bevölkerung
herbeizuführen. Zwischen 1921 und 1939 wanderten 56000
Italiener nach Südtirol, so dass am Ende dieser Periode die Hauptstadt
Bozen eine mehrheitlich italienische Bevölkerung
hatte und bis heute hat. Durch eine staatlich subventionierte
Industriezone wurden Arbeitsplätze geschaffen.
Südtirol vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart
Südtirol im 20. Jahrhundert. Vom Leben und Überleben
Geschicte Südtirols
Das Deutsch-Italienische
Abkommen vom 22. Mai 1939
Die Sanktionen, welche
der Völkerbund nach der Eroberung Äthiopiens 1935 - 1936
über Italien verhängt hatte, veranlassten Mussolini zu
einer Annäherung an Deutschland. Am 22. Mai 1939 wurde
in Berlin der Stahlpakt geschlossen, der 1940 den Kriegseintritt
Italiens an deutscher Seite und die deutsche Hilfe im italienischen
Abessinienkrieg 1941-1942 zur Folge hatte.
Die Option: Am 22. Mai wurde auch
das Deutsch-Italienische Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler
geschlossen. Die Südtiroler konnten danach bis zum 31.
Dezember 1939 (mit der Verpflichtung der Auswanderung) für
die deutsche Staatsbürgerschaft optieren, oder für
die Beibehaltung der italienischen mit der Drohung, keinen Schutz
für ihr Volkstum mehr in Anspruch nehmen zu können.
Südtirol - die Option
Ende Dezember hatten
in der damaligen Provinz Bozen 203.500 Personen für Deutschland
optiert. Allerdings wanderten nur 75.000 Deutsche ab, da die
endgültige Durchführung der Umsiedlung durch von deutschen
Ämtern angewandte Verzögerungstaktiken und durch Kriegsereignisse
verhindert wurde.
1948 konnten diejenigen, die für Deutschland optiert hatten,
wieder die italienische Staatsbürgerschaft annehmen, wovon
90% Gebrauch machten.
Nachkriegszeit
Nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs wurde Südtirol in einem schwierigen, langwierigen
Prozess zur autonomen Provinz. Heute sind alle Ortsnamen zweisprachig
ausgezeichnet, wobei allerdings weiterhin ausschließlich
die (in vielen Fällen erfundenen) italienischen Ortsnamen
amtlich sind und die deutschen nur geduldet werden. Alle offiziellen
Dokumente werden ebenfalls zweisprachig ausgestellt. Viele der
in Südtirol ansässigen Italiener beherrschen inzwischen
auch die deutsche Sprache. Die deutsche Sprachgruppe wächst
seit den 1960er-Jahren kontinuierlich. Bei der letzten Volkszählung
im Jahr 2001 gaben wieder 69,4 % der Einwohner Südtirols
Deutsch als Muttersprache an.
Weitere Volksgruppen
Die von Mussolini betriebene
Italienisierung betraf auch die deutschen Sprachinseln
der Zimbern im Trentino (Lusern, Fersental), in Venetien
(Sappada, Dreizehn Gemeinden) und in Friaul (Sauris, Timau),
sowie die Slowenen Istriens, das bis 1918 Bestandteil Österreichs
war und Teile der kroatischen historischen Region
Dalmatien, auch bis 1918 Bestandteil Österreichs