Geschichte

Die Revolution von 1848/149 im Kaisertum Österreich



In den Jahren 1848/1849 wurde ein großer Teil Mitteleuropas von Re­vo­lu­tio­nen erfasst. Auch die Volksaufstände im Kaisertum Österreich, die von März 1848 bis November 1849 stattfanden, waren Bestandteile dieser bür­ger­lich-de­mo­kra­tisch mo­ti­vierten Revolutionen, die nach der Fe­bruar­re­vo­lu­tion von 1848 in Frankreich um sich gegriffen hatten. Ein Groß­teil der re­vo­lu­tio­nären Ak­ti­vi­täten hatte nationalistischen Cha­rak­ter: Das von Wien re­gier­te Reich um­fass­te Deutsche, Un­garn, Slo­wenen, Polen, Tschechen, Slo­wa­ken, Ru­the­nen, Ru­mä­nen, Kroaten, Italiener und Ser­ben; Alle Völ­ker ver­such­ten im Verlauf der Re­vo­lu­tion, Au­to­nomie, Un­ab­häng­ig­keit oder so­gar He­gemonie über andere Na­tio­na­litäten zu erlangen.
Die Jahre seit dem Wiener Kongress von 1815 wa­ren durch politisch stabile Verhältnisse ge­kenn­zeich­net, die der österreichische Au­ßen­mi­nis­ter und Staats­kanzler Fürst Met­ter­nich mit eiserner Faust verteidigte. In Wien war seit der Fran­zö­si­schen Revolution alles getan worden, um das Rad der Zeit auf­zu­halten. Zu gefährlich er­schie­nen die wirtschaftlichen und sozialen Ver­än­derungen, die in Westeuropa stattgefunden hatten und die mit den Ideen von „Freiheit, Gleich­heit, Brüderlichkeit“ ein­her­ge­gangen waren. Staat und ka­tholischer Klerus er­stick­ten mit polizeistaatlichen Mitteln wie Zensur und Spit­zelwesen alle liberalen und de­mo­kratischen Ideen.
Ferdinand I.
Der Preis für diese Politik der Abschirmung war sehr hoch: In Ös­ter­reich herrschte wirt­schaft­licher und geistiger Stillstand. Der Hun­ger­win­ter 1847/1848 trug dazu bei, die libe­ra­len und de­mo­kratischen Vorstellungen über eine neue Re­gie­rungs­po­li­tik im Kernland Ös­ter­reich zu verstärken. Auch in der Ar­bei­ter­schaft hatte die wirtschaftliche Not die Wut auf das überkommene politische Sys­tem erhöht. Dies führte dazu, dass die Res­sen­ti­ments gegen die Un­fähigkeit von Kaiser Fer­di­nand I. von Ös­ter­reich und vor allem von Fürst Metternich zunahmen.
Die verschiedenen Nationalitäten des ös­ter­rei­chi­schen Reiches wollten die volle Un­ab­hän­gig­keit von dem von den Habsburgern geschaffenen su­pra­na­tio­nalen Staat erlangen. Vor allem wollten sich Ungarn, Böhmen und Italien aus der Vorherr­schaft Österreichs befreien.

Die Revolution in Italien
In Norditalien gehörten die Lombardei und Ve­ne­tien direkt zum Habs­bur­ger­reich. Seit 1831 hat­te der Feld­marschall Graf Radetzky den Ober­be­fehl über die dort statio­nier­ten habs­bur­gi­schen Trup­pen.
Nach dem 18. März 1848 begann die Revolution auch in diesen Provinzen. Nach Straßenkämpfen (die berühmten „Fünf Tage von Mailand“) konnten die Re­vo­lu­tionäre am 22. März die Lan­des­haupt­stadt Mailand erobern. Die Armee Ra­detz­kys musste sich zunächst zurückziehen.
Das darauffolgende Eingreifen von Sardinien-Piemont unter seinem König Car­lo Alberto von Savoyen gilt den Italienern als der „Erste Un­ab­hän­gig­keits­krieg“. In einer Allianz mit dem Kir­chen­staat und dem Kö­nig­reich bei­der Sizi­lien er­klär­te der König am 23. März Österreich den Krieg.
Die Unfähigkeit der Piemon­teser, die Ini­tia­ti­ve zu er­grei­fen, gab den Ös­ter­rei­chern die Möglichkeit, Verstärkung zu erhalten und wieder in die Of­fen­sive zu gehen, wobei sie die sardisch-piemon­te­sische Armee in der ersten Schlacht von Custoza (22.-26. Juli) schlu­gen. Im März 1849 versuchte Carlo Alberto den Krieg fort­zu­setzen. Die pie­mon­te­sische Armee wurde aber nach wenigen Tagen bei Novara von Radetzky ver­hee­rend geschlagen.

März- und Mairevolution in Wien
Der Vormärz, die Zeit vor der Revolution, war eine schlimme Zeit. Missernten, Misswirtschaft, Not und Elend waren weit verbreitet. Der Absolutismus ließ keine Freiheit aufkommen. Es herrschte der Polizeistaat.
Die Nachricht von der Februarrevolution und dem Sturz der Monarchie in Frankreich gab den de­mo­kratischen Kräften neuen Auftrieb. In Wien wur­den die Studenten zur treibenden Kraft der re­vo­lu­tio­nären Bewegung. Am 12. März wurde in der Aula der Universität Wien eine Versammlung ab­ge­halten, bei der die Studenten eine Petition an den Kaiser verabschiedeten, in der sie Teilnahme des Volks an der Regierung, Öffentlichkeit der Ge­richts­verfahren, Geschwo­re­nen­gerichte, Selbst­ver­wal­tung der Gemeinden, Aufhebung des Un­ter­ta­nen­ver­hält­nis­ses der Bauern, Festlegung der bürgerlichen Grundrechte, Be­sei­ti­gung der Zensur, Presse-, Lehr- und Lernfreiheit, Ausweisung der Je­su­iten und Gleichstellung der Konfessionen forderten.

Der Wiener Staatsrat unter der Leitung Metter­nichs verweigerte liberale Kon­zessionen, worauf es zu Demonstrationen kam. Am 13. März 1848 brach die Re­vo­lution aus. Dem Sturm auf das Stän­de­haus folgten Anschläge von So­zial­re­vo­lu­tio­nä­ren gegen Läden und Fabriken in den Wiener Vor­städ­ten. Am Nach­mit­tag setzte der kom­man­die­ren­de General von Wien, Erzherzog Albrecht, Militär gegen die Volksmenge ein, und es gab Todesopfer. Die Bürger be­waff­ne­ten sich und er­rich­te­ten Barrikaden, in den Vorstädten wurden Fa­bri­ken angezündet und Maschinen zerstört.

Wiener Oktoberaufstand 1848
Ein Teil der Armee, insbesondere die bürgerliche Zivilgarde, weigerte sich, Befehle zu befolgen, und am 15. März musste der Kaiser den Rücktritt von Metternich akzeptieren, der in der Rolle des Kanz­lers durch den liberaleren Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky ersetzt wurde. Zudem ge­stand der Kaiser wichtige Rechte zu. Er ver­sprach die Abschaffung der Zensur und eine Staats­ver­fassung. Diese Pil­lers­dorf­sche Ver­fas­sung, die aber auf heftige Kritik stieß, wurde Ende April 1848 vorgelegt und führte erneut zu Protesten der Bevölkerung, die in den zweiten Wiener Aufstand mündeten.
Die Flucht Metternichs in einer Karikatur
In der „Sturmpetition“ von Nationalgarden, Stu­den­ten und Arbeitern wurden die Zurücknahme die­ser oktroyierten Verfassung und die Einberufung ei­nes kon­stituierenden Reichstags mit allgemein, di­rekt und frei gewählten Ab­ge­ord­neten gefordert. Nach Straßenkämpfen wurden in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai. Diese Forderungen bewillig. Am 17. Mai, als die Kämpfe in Wien weitergingen, zogen Kaiser Ferdinand und sein Hof nach Inns­bruck und überließen die Stadt dem Militär. Bis in den August hinein kam es immer wieder zu Auf­stän­den. Durch die Aufhebung der bäuerlichen Un­ter­ta­nen­las­ten, die am 7. September be­schlos­sen wurde, konnte die Bauernschaft für die Krone gewonnen werden.
Der Prager Pfingstaufstand
Der Prager Pfingstaufstand vom 12. - 17. Juni 1848 war Höhepunkt und Ende der Revolution im österreichischen Kronland Böhmen. Der Aufstand tsche­chi­scher Nationalisten war in den ersten Ta­gen erfolgreich, große Teile der Na­tio­nal­garde lie­fen zu den Revolutionären über. Der Aufstand wurde aber schließlich nach harten Bar­ri­ka­den­kämp­fen von der Armee unter Feld­mar­schall Alfred Fürst zu Windisch-Grätz, blutig niedergeschlagen.

Die Oktoberrevolution in Wien
Im August 1848 stand Wien erneut im Zeichen eines Aufstands, weil die Löhne für weibliche und jugendliche Erdarbeiter herabgesetzt wor­den wa­ren. Die Stadtgarde konnte aber die Ruhe ohne militärische Hilfe wiederherstellen.
Als am 6. Oktober von Wien aus kaiserliche Trup­pen gegen das aufständische Ungarn ziehen soll­ten, versuchten die mit den Ungarn sym­pa­thi­sie­ren­den Wiener Arbeiter, Studenten und meu­tern­den Trup­pen den Abmarsch zu ver­hindern. Es kam zu Straßenkämpfen, wobei selbst im Ste­phans­dom Blut ver­gossen wurde. Der Kriegs­mi­nis­ter Theodor Graf Baillet von Latour wurde von der Menge gelyncht.
Die Leiche des gelynchten Kriegsministers wird an eine Laterne gehängt
Der Hof floh mit Kaiser Ferdinand am 7. Oktober nach Olmütz, der Reichstag wurde am 22. Oktober nach Kremsier verlegt. Feldmarschall Windisch-Grätz und Generalmajor Josip Graf Jelačić be­gan­nen am 26. Oktober mit der Be­schie­ßung Wiens und erstürmten am 31. die Innere Stadt. Das verhalf der Ge­gen­revolution zum Sieg. Etwa 2000 Tote und erhebliche Verwüstungen waren das Er­gebnis. Die Anführer des Aufstands werden vors Standgericht gebracht und hingerichtet. Die Er­rungenschaften der Märzrevolution gingen zum größten Teil ver­loren.
Rückeroberung Wiens durch die Kaisertruppen

Revolution in Ungarn
Lajos Kossuth
Die Revolution im Kö­nig­reich Ungarn ent­wi­ckel­te sich zu einem Unabhängigkeitskrieg ge­gen die Vor­herr­schaft der österreichischen Habsburger. Im Zen­trum der Bewegung stand Lájos Kossuth (1802–1891), ab 1847 Ab­geordneter im ungarischen Land­tag in Press­burg, wo er durch seine „Taufrede der Re­vo­lu­tion“ am 3. März 1848 mit seiner lei­den­schaft­lich vorgetragenen For­de­rung nach politischer Mitbestimmung und ei­ner konstitutionellen Monarchie die Revolution in Gang setzte.
Die Revolution begann am 15. März 1848, als in Pest und Buda gewaltlose Massendemonstrationen den kaiserlichen Gouverneur dazu zwangen, alle 12 Punkte der ungarischen Revolutionäre zu ak­zep­tieren, in denen unter anderem Pres­se­frei­heit, die Aufhebung von Zensur und Fron­dienst ge­for­dert wurden. Weitere Aufstände führ­ten zu ei­ner neuen Regierung mit Lajos Batthyány als Pre­mier­minister. Umfassende Staats­re­formen wurden durchgesetzt.
Der einberufene Reichstag sah sich aber als „ma­gyarische“ Na­tio­nal­ver­samm­lung. Den übrigen Sprach­gruppen wurden nur halbherzige Zu­ge­ständ­nisse gemacht. Dies führte zur Ab­leh­nung der ungarischen Revolution seitens der Kroaten, Slowaken, Serben usw., die sich unter den Schutz der Wiener Zen­tralregierung stellten. Die Situation eskalierte, als kroatischen Truppen un­ter Josip Graf Jelačić in Südungarn ein­mar­schier­ten. Kossuth übernahm die Führung und rief zur „Verteidigung des Vaterlandes“ auf. Eine revolutionäre Armee von 170.000 Mann (die sogenannten Honvéd-Verbände) wurde auf­ge­stellt. Kossuth befahl den Marsch auf Wien, um den dortigen Ok­to­ber­auf­stand militärisch zu un­ter­stüt­zen. In Schwechat bei Wien wurden die un­ga­rischen Einheiten allerdings von den Truppen Jelačićs zu­rück­geschlagen.
Kaiser Franz Joseph
Am 14. April 1849 vollzog man den Bruch mit dem Hause Habsburg und erklärte Franz Joseph, der die Nach­fol­ge von Ferdinand I. als Kaiser von Österreich an­ge­treten hatte, als un­ga­ri­scher König für abgesetzt. Zunächst konnten die un­ga­ri­schen Truppen Erfolge erringen: Nach der Eroberung von Buda im Mai 1849 stan­den große Teile des Landes unter der Kontrolle der Revolutionäre.
Die Situation im Land war aber sehr labil. Die an­dauernden Kämpfe von ru­mä­nischen, slo­wa­ki­schen und serbischen Freischärlern gegen die ma­gya­ri­schen Truppen führten zu großem Blut­ver­gie­ßen. Anschläge auf Ver­tre­ter der ver­hass­ten un­ga­ri­schen Staatsmacht wurden von Re­vo­lu­tions­ge­rich­ten mit Mas­sen­exe­ku­tionen und von den Honvéd-Verbänden mit dem Nie­der­bren­nen gan­zer Dörfer geahndet.
Kapitulation der ungarischen Armee bei Világos
Das Ende der un­ga­ri­schen Un­ab­hän­gig­keits­be­stre­bungen war aber ge­kom­men. Der junge Kaiser Franz Joseph bat Russland um Hilfe, und Zar Nikolaus I. wil­ligte sofort ein. Der Macht der russischen Armee hatten die Magyaren wenig entgegenzusetzen. Der ungarische Freiheitskrieg endete am 13. August 1849 mit der Kapitulation der Revolutionsarmee in Világos bei Arad.
Historische Bedeutung der Revolution
Das Scheitern der Revolution ist auf das Fehlen einer durchdachten Konzeption und zielbewusster Führungspersönlichkeiten zurückzuführen. Au­ßer­dem hatten sich die bürgerlich-liberalen Kreise und die Bauern schließlich von der re­vo­lu­tio­nä­ren Masse distanziert. Dennoch machten die Ereignisse den ge­dank­li­chen Weg frei für eine konstitutionelle Verfassung, welche die Habs­bur­ger­mo­nar­chie in den 60er-Jahren bekam. Das wichtigste un­mit­telbare Er­geb­nis der Re­vo­lution war die Bau­ern­be­freiung mit der Auflösung der feudalen Strukturen.
 
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99 Fragen an die Ge­schich­te Ös­ter­reichs