Geschichte

Zwentendorf und Hainburg


Die beiden Namen stehen für die ersten großen Erfolge der Basisdemokratie in Österreich. Nach der Absage an das Kernkraftwerk Zwen­tendorf im Jahr 1978 durch eine Volks­ab­stim­mung zur friedlichen Nutzung der Kern­ener­gie folgte 1984 ein Er­folg gegen die drohende Zer­störung eines Teils der Do­nau-Auen bei Hain­burg durch ein dort geplantes Was­ser­kraft­werk. Erst­mals trat ziviler Un­ge­hor­sam erfolgreich und öf­fent­lich­keits­wirk­sam in Erscheinung und machte den Ös­ter­rei­chern das Prinzip direkter De­mo­kra­tie bewusst.

Kernkraftwerk Zwentendorf

Das Kernkraftwerk Zwentendorf in Zwentendorf an der Donau (Nie­der­ös­ter­reich) ist das einzige Kernkraftwerk der Welt, das komplett fer­tig­ge­baut wurde – sogar die radioaktiven Brennstäbe lagerten schon im AKW – aber nie in Betrieb gegangen ist. Das Kraftwerk wurde zur größ­ten In­ves­ti­tions­ruine der Republik Österreich, und gleichzeitig ein Mei­len­stein der Wirtschaftsgeschichte.
Am 11. November 1969 wurde der Bau des Kern­kraftwerks Zwentendorf im Ministerrat ge­neh­migt. Geplant war ein Siedewasserreaktor mit einer Netto­leistung von 692 MW. Auf Drängen der Bundesländer wurde der Baubeschluss zugunsten des Kernkraftwerks von der Bun­des­re­gie­rung unter Bundes­kanz­ler Bruno Kreisky am 22. März 1971 gefällt. Am 4. April 1972 wurde mit dem Bau begonnen. Bereits zwei Wochen nach Baubeginn be­schä­digte ein starkes Erd­be­ben das Fundament, das deshalb ab­ge­ris­sen und neu gebaut werden musste. Die Fertigstellung dauerte vier Jahre.
Die Akte Zwentendorf
Bereits im Jahr 1975 wurde die Initiative Österreichischer Atom­kraft­werks­gegner (IÖAG) als Dachverband der Anti-Atomkraft-Gruppen ge­grün­det. Auf ihrem Hö­he­punkt würde eine halbe Million Menschen um­fas­sen. 1977 demonstrieren Atomenergiegegner in Wien, Graz, Salzburg, Inns­bruck und Klagenfurt. Großes Aufsehen erregte der Hungerstreik von neun Vorarlberger Müttern vor dem Bun­des­kanz­ler­amt, die damit einen Probe­be­trieb in Zwen­ten­dorf verhindern wollten.
Das Atomkraftwerk spaltete das Land. Auf der einen Seite standen die Atom­ge­gner, auf der anderen die SPÖ-Alleinregierung unter Bun­des­kanz­ler Bruno Kreisky, die Gewerkschaft, die Industrie und die Handelskammer. Die Fronten verhärteten sich. Im Jänner 1978 schlug die Sozialistische Ju­gend eine Volks­ab­stim­mung zu Zwentendorf vor, Kreisky lehnte aber zunächst ab.
Wäh­rend die FPÖ die Atomenergie grundsätzlich ablehnte, begrüßte die ÖVP zwar deren Nutzung, lehnte aber Zwentendorf wegen der mangelnden Sicher­heits­be­stim­mun­gen ab. Weil Kreisky des­halb befürchtete, im Parlament keine Zu­stim­mung zu erhalten, wohl aber in einer Volks­be­fra­gung, beschloss er, die Frage der Nutzung der Kernenergie doch vom Volke entscheiden zu lassen. Er beschloss, das Volk über die Inbetrieb­nah­me des Kernkraftwerkes Zwen­ten­dorf ab­stimmen zu lassen – doch der Schuss ging nach hinten los.
Michael Mittermeier über Zwentendorf
Am 5. November 1978 sorgte die erste Volksabstimmung in Ös­ter­reich seit 1945 für ein historisches Ergebnis: 1.606.308 Men­schen sagten Nein zur Atomkraft (50,47 Prozent der abgegebenen Stimmen). Die Nicht­in­be­trieb­nahme des Atomkraftwerks Zwentendorf führte noch im De­zem­ber zum Atom­sperrgesetz, welches bestimmte, dass in Österreich auch in Zukunft keine Kernkraftwerke ohne Volks­ab­stim­mung gebaut werden dürften. Dieses Gesetz wurde 1999 durch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­setz für ein atomfreies Österreich verschärft.

Besetzung der Hainburger Au

Die Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 war um­welt­politisch und demokratiepolitisch von großer Be­deutung für Österreich.
Die Hainburger Au ist eine naturbelassene Flusslandschaft an der Donau in der Nähe von Hainburg (Niederösterreich) östlich von Wien und seit 1996 Teil des Nationalparks Do­nau-Auen. Zum Jahreswechsel 1982/1983 hatte der WWF Österreich seine Kampagne „Rettet die Auen“ ge­star­tet und begonnen, die Öffentlichkeit auf die drohende Zer­stö­rung eines Teils der Donau-Auen durch ein dort geplantes Wasserkraftwerk auf­merksam zu machen.
Ende 1983 wurde das von den Do­nau­kraft­wer­ken geplante Kraft­werk im Raum Hainburg von den zuständigen politischen Gre­mien zum „be­vorzugten Wasserbau“ erklärt.

Im Mai 1984 stellte ein überparteiliches Per­so­nen­ko­mitee das Konrad-Lo­renz-Volks­begehren, das sich gegen den Kraft­werks­bau rich­tete, der Öffentlichkeit vor. Gleichzeitig demonstrierten 40.000 Bau­ar­bei­ter auf dem Heldenplatz für die Errichtung des Kraftwerkes.
Am 26. November wurde bei Stopfenreuth mit den Arbeiten begonnen.
Am 8. Dezember organisierte die österreichische Hochschülerschaft einen „Sternmarsch“, mehrere Hundert Personen blieben in der Au und er­zwan­gen die Einstellung der Rodungsarbeiten.
Am 15. Dezember rannten bei der Live­über­tra­gung der Fernsehshow „Wetten, dass..?“ aus Bremen deutsche Umweltaktivisten mit dem Transparent „Nicht wetten – Donau-Auen retten“ vor den gerade sprechenden Wettpaten Bun­des­kanzler Fred Sinowatz. Sie bekamen von Frank Elstner, dem Moderator der Sendung, die Möglichkeit zu einer kurzen Stellungnahme.
Der Publizist Günther Nenning und Ger­hard Heilingbrunner, Lei­ter des Al­ter­nativ-Referats der Österreichischen Hochschülerschaft, traten als Initiatoren eines Volksbegehrens zur Erhaltung der Auen und Er­rich­tung eines Na­tio­nal­parks in Er­schei­nung, wofür auch der No­bel­preisträger Kon­rad Lorenz als prominenter Unterstützer gewonnen wurde.
Nachdem die Au zum Sperrgebiet erklärt worden war, kam es am 19. De­zem­ber 1984 zu einem umstrittenen Polizeieinsatz. Polizisten entfernten unter Schlagstockeinsatz die Demonstranten aus der Stop­fen­reuther Au bei Hainburg, um den Arbeitern den Beginn der Rodungen zu ermöglichen. Bei den Zusammenstößen zwischen 800 Gendarmerie- und Polizeibeamten und etwa 3.000 Au-Besetzern wurden aufseiten der Um­welt­schützer nach offi­ziel­len Angaben 19 Per­so­nen, darunter Angehörige eines ita­lie­ni­schen Fernseh­teams, verletzt. Am Abend desselben Tages demonstrierten in Wien bis zu 40.000 Menschen gegen die Vorgangsweise der Re­gie­rung und gegen den Kraft­werksbau.

Bilder von den Menschenketten, Be­setzungen von Baufahr­zeu­gen, vom passiven Widerstand der Bür­ger und von äu­mungs­ak­tio­nen der Polizei finden sie hier.

Nationalpark Donauauen
Am 21. Dezember verhängte die Bun­des­re­gie­rung einen Rodungsstopp. Die Vehemenz der Auseinandersetzung hatte ein Umdenken be­wirkt. Am 22. Dezember 1984 verkündete Fred Sinowatz unter dem Druck der öf­fent­li­chen Mei­nung und einiger einflussreicher Medien einen Weihnachtsfrieden.
Tausende Menschen verbrachten die folgenden Feiertage in der Au. Der Prie­ster Joop Roeland feierte mit den Au-Besetzern den Weih­nachts­got­tes­dienst. Als das Höchstgericht Anfang Jänner 1985 weitere Rodungen bis zum Ab­schluss des laufenden Beschwerdeverfahrens verbot, wurde die Besetzung beendet.
Vom 4. - 11. März 1985 wurde das Kon­rad-Lo­renz-Volks­be­geh­ren durch­ge­führt. Es verlangte u. a. ein Verbot von Groß­kraft­wer­ken wie Hainburg und die Er­rich­tung ei­nes Na­tio­nal­parks im Gebiet von Hain­burg und wurde von 353.906 Personen unterzeichnet.
Am 1. Juli 1986 hob der Verwaltungsgerichtshof den Wasserrechtsbescheid auf. Es wurde ein Baustopp verhängt.
Seit 1996 gehört die Hainburger Au zum Nationalpark Donau- Auen.